Zu Beginn des Jahres 2018 hat ließ die Stadt Hohenstein-Ernstthal durch einen Discounter die Trikotagenfabrik Clauß nahe dem Bahnhof abreißen. Was daran verstört? Das historische und ortsbildprägende Gebäude war erst vor wenigen Jahren saniert wurden und stand bis zum Abriss unter Nutzung.

In diesen Tagen drängt die Stadt Zwönitz auf der Abriss der ehemaligen Strumpffabrik Emmerlich in der benachbarten Ortschaft Hormersdorf. Auch hier verstört den neutralen Betrachter, das Gebäude ist baulich in einem guten Zustand und wird gegenwärtig noch genutzt. Jenes Gebäude, auch als "Hunnert"/"Hundert" bekannt, steht zudem unter Denkmalschutz.

Ist es so, wie wir mit unserem baulichen Erbe umgehen wollen? Wenn ein Gebäude durch langen Leerstand und Verfall derartig zerstört ist, dass sich eine Sanierung unter wirtschaftlichen Aspekten nicht mehr lohnt, oder die Substanz nicht mehr bautechnisch zu retten ist, dann ist ein Abriss eines Bauwerkes auch gerechtfertigt. Doch die Hunnert ist weder eine Ruine noch vom Verfall geprägt. Der einzige Missstand ist der Leerstand von einem Teil der Nutzflächen, die die Stadt Zwönitz allerdings als Eigentümer der Immobilie auch nicht auf dem Markt anbietet. Wo wir auch bei einer zweiten spannenden Frage sind: WAS bedeutet Denkmalschutz? Die Region zwischen Zwönitz und Chemnitz gehörte einst zu den größten Strumpfwarenproduzenten der Welt. In den Ortschaften reihten sich die Strumpffabriken aneinander und ratterten Tag und Nacht. Diese Industrie brachte nach dem Ende des Bergbaus den Wohlstand in die Täler, machte aus kleinen Dörfern ganze Industriestädte. Es ist das Erbe und die Identität einer ganzen Region. Doch von diesem Erbe hat die Nachwendezeit nicht sehr viel gelassen. Ein Großteil der Strumpffabriken sind abgerissen wurde, wunderbare und einzigartige Architektur ging dabei verloren. Das Ortsbild hat sich so massiv verändert, zurück zur Kleinteiligkeit der Vergangenheit. Die letzten großen "alten Damen" dieser Industrie wirken heute gar wie Dinosaurier in den grünen Hügeln des Erzgebirges. Hier fängt der Denkmalschutz an. Die Bewahrung und der Erhalt dieser Bauwerke, nicht nur um unseren Enkeln das Erbe zu vermitteln, sondern um die Identität der Region am Leben zu lassen. Die Hunnert in Hormersdorf gehört zu den letzten Strumpffabriken in der Region, ein Gebäude mit Potential und Geschichte, Leuchtturmcharakter für einen Ort.

Doch was ist die Hunnert und wie kam es dazu?
Ein historischer Abriss:

 

° 1927 lässt Strumpffabrikant Otto Emmerlich die Fabrik als Werkserweitung durch den Architekt Curt vom Ende errichten

° Aufgrund von Baugrundsproblemen kommt es nie zu einer Produktionsaufnahme in dem Gebäude

° 1939 wird das Gebäude an die ARWA-Werke aus Auerbach/Erz. verkauft

° 1944/45 mieten sich die Junkers-Werke Dessau in das Gebäude ein und lassen Flugzeugteile montieren

° Ein Teil der Fabrik dient als Kriegsgefangenlager für Russische Gefangene

°1848: wird die Fabrik zu einem Heim für Heimatvertriebene umgebaut

°1950er: Einrichtung eines Konsum im Erdgeschoss

°Nach 1990 nimmt die Hunnert verschiedene Mieter auf

° Das Heimatmuseum zieht in das Gebäude ein

°2008: Das Gebäude soll zu einer Fahrraderlebniswelt werden - PLAN SCHEITERT

°2015: Die AWO möchte das Gebäude zu einem Pflegeheim umbauen - PLAN SCHEITERT

°2015: Das Heimatmuseum muss aus dem Gebäude ausziehen

°2016: Ein Asylbewerberheim soll einziehen - PLAN SCHEITERT

°2018: Die SG Auerbach/Hormersdorf nutzt noch einen Teil des Gebäude als Umkleide und Lager

(Quelle: Freie Presse)

 


Die Strumpffabrik Emmerlich gehört mit Architektur und dem Baujahr 1927 zur Stilgruppe der "Roten Moderne", eine Architekturform, welche besonders im Erzgebirge sehr selten ist. Architekt war der bekannte Chemnitzer Curt vom Ende, ein Vertreter des "Neuen Bauen" in den 1920er Jahre, welcher ähnlich wie Erich Basarke oder Friedrich Wagner-Poltrock durch Industriebauwerke der Region ein ganz neues eigenen Gesicht gaben. Eines seiner berühmtesten Werke ist zweifelsohne das AOK-Gebäude in Chemnitz. Das Gebäude ist in Stahlbetonskelettbauweise mit Ziegelausfachung verwirklicht. Die Aussenwand wird durch eine hochwertige Klinkerfassade aus Wildbrandklinker gekrönt. Große Industriefenster geben dem Gebäude ein Maximum an Tageslicht. Zur Straßenseite sind die fast schadlosen Industriekastenfenster erhalten, zur Hofseite wurden neue Isolierglasfenster eingesetzt. Ein angeflanschtes Treppenhaus mit Sanitärräumen und Wasserturm bietet die Erschließung der vier Produktionsetagen. Nach 1945 wurden die Produktionssäle durch Ziegelinnenwände aufgeteilt. Das Argument des Oberbürgermeister, dass die Innenflächen unbrauchbar sind, ist damit nicht haltbar, da diese Ziegelwände problemlos entnommen werden können ohne die Statik des Gebäudes zu beeinflussen. Die Fassade weißt dazu nur wenige Fehlstellen auf. Man muss auch bekräftigen, dass die kommunale Ebene, als Eigentümer des Gebäudes, in den vergangenen Jahren keine Sanierungsabsichten am Bauwerk (Die Immobilienbranche rechnet hier mit 1-2% des Immobilienwertes pro Jahr) gezeigt und durchgeführt hat. Der § 8 (1) des sächsischen Denkmalschutzgesetz (SächsGVBl. S. 229) verpflichtet den Eigentümer zu derartigen Maßnahmen zum Erhalt des Denkmales. Auch wenn die Gemeinde hier ihren Pflichten nicht nachgekommen ist, ist der Zustand auf keinen Fall als "marode" oder gar "Schandfleck" zu definieren (Vgl.: Freie Presse: "Immobilie - Stadtchef sieht keine Chance für Hunnert", 20.11.2018)! Die Stadt Zwönitz strebt nun die Löschung aus der Denkmalkartei an, um damit das Gebäude abzureißen. Dazu wurde bereits der sächsiche Innenminister Rohland Wöller in einem Gespräch gebeten. Die Plänen gehen über einen Abriss hinaus und so wünscht man sich ein Pflegeheim auf dem neu enstandenen Baugrund.

 

 

Wir als Netzwerk Industrie.Kultur.Ost fordern den Erhalt der Strumpffabrik Emmerlich "Hunnert" in Hormersdorf!

 

Argumentation PRO HUNNERT:

 

- Die Hunnert ist für Hormersdorf von historischer und ortsbildprägender Bedeutung. Ein Bauwerk, welches man in der Region kein zweites Mal findet und gegenwärtig in keinem Zustand ist, um den Denkmalstatus aufzuheben und den Abriss anzustreben.

- Die kommunale Ebene als Eigentümer ist ihren Verpflichtungen zum Erhalt des Gebäudes nicht nachgekommen.

- Ein angestrebter Neubau würde die "Graue Energie" und damit unsere umweltpolitische Verantwortung gegenüber unseren nachvollgenden Generationen nicht gerecht werden, da unter diesem Gesichtspunkt die Bauwerksart eine entsprechende Umnutzung und bauliche Erweiterung (in Richtung Ortskern) zulässt.

- Man sollte sich immer fragen, ob ein Neubau die selbe technische und ästhetische Qualität des Bestandgebäudes aufweisen könnte.

- Ein gesunder Umgang in einer modernen Demokratie mit seinem historischen Gebäuden sollte vorwiegend im Erhalt des Bestandes sein.

- Das Erzgebirge bewirbt sich mit seiner reichhaltigen Kulturlandschaft für das UNESCO-Weltkulturerbe, der Abriss der eigenen Identität auf Grund von ungenutzten Gebäudeetagen wirkt da wie ein Schildbürgerstreich.

- Exklusive und aussergewöhnliche Wohnflächen sind im Erzgebirge gesucht und helfen junge Fachkräfte in die Region zu locken

- Ein Verkauf an einen Investor würde der Stadt Einnahmen erwirtschaften

- Für den Erhalt und die Sanierung gibt es eine Vielzahl Fördertöpfe (LEADER, EFRE,...)

- Die Baulische Konstruktion lässt die verschiedensten Nutzungsmöglichkeiten zu

- Der anliegende Fußballverein benötigt entsprechende moderne Räume

- Der Denkmalstatus und die historische Veränderung im Innenraum macht das Bauwerk interessant für Unternehmen (Denkmal-AFA, Denkmalauflagen bei Sanierung, Markantes Place-Marketing)

 

 

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