Trennen der Stahlplatten (Quelle: "50 Jahre RAW, 50 Jahre Arbeiterbewegung", Zwickau, 1958)
Trennen der Stahlplatten (Quelle: "50 Jahre RAW, 50 Jahre Arbeiterbewegung", Zwickau, 1958)

Es ist das Jahr 1903, als in Zwickau die 'Königlich Sächsische Staatseisenbahn' den Grundstein für das neue Reichsbahnausbesserungswerk im Stadtteil Marienthal legt und damit der Industriestadt einen neuen großen Industriestandort verschafft. Fünf Jahre später, wird das RAW feierlich eröffnet und konzentriert sich mit über 2000 Beschäftigten auf die Wartung und Reparatur von Personen- und Güterwagen. Während der 1930er Jahre wird das Werk, nach der Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn, weiter ausgebaut und beschäftigt in der Zeit des 2. Weltkrieges schätzungsweise 550 Kriegsgefangene. Es liegt unmittelbar am Güterbahnhof Zwickau, einem der wichtigsten Drehkreuze für Heerestransporte der Deutschen Reichsbahn. Folglich wird im Mai 1944 ist das Ausbesserungswerk das Ziel alliierter Luftangriffe, gut ein dutzend Gebäude fallen den Bomben zum Opfer, mehrere Arbeiter, darunter viele Kriegsgefangene, kommen ums Leben. Es ist zweifelsohne die dunkelste Stunde in der Geschichte des Standortes.

1950 wird das komplette Reichsbahnausbesserungswerk Zwickau durch die neue Wirtschaftsführung der DDR in Volkseigentum überführt und als volkseigener Betrieb in den "VEB Reichsbahnausbesserungswerk '7.Oktober' Zwickau" umgewandelt. Den Namen erhält es als Anlehnung an das Gründungsdatum der Deutschen Demokratischen Republik, der 7. Oktober 1949. In der Folgezeit modernistiert die Deutsche Reichsbahn ihr Gütersystem auf Containerabfertigung umstellt und wählt das RAW Zwickau im Jahr 1967 aus, um die neuen 10 und 20 Fuß Container für die Bahngesellschaft der DDR zu bauen. Nur ein Jahr später geht dagegen eine andere Ära zu Ende. Die letzte Dampflokomotive verlässt die alten Hallen und das neue Zeitalter der Diesellokomotiven wirft schon seine Schatten voraus. Es ist auch die Hochzeit des RAW '7.Oktober', so sind es in diesen Jahren etwa 3.300 Angestellte im Werk, welche täglich ihren Arbeitsweg in das weitläufige Gelände gehen und den DDR-Bahnverkehr am Leben halten.

Mit dem Jahr 1990 übernimmt die Deutsche Bahn AG den kompletten Werkskomplex von der Deutschen Reichsbahn und beendet 1992 die Containerproduktion in Zwickau. Gleichzeitig werden mehrere Millionen Deutsche Mark an Fördergeldern in das Werk investiert, dies obwohl die Deutsche Bahn das Werk gleichzeitig schrittweise herunter fährt. Schicksalsgebend ist das Jahr 2001, der Vorstand der DB AG beschließt in Frankfurt das vorzeitige Ende für das Reichsbahnausbesserungswerk Zwickau, es beginnt ein harter Kampf in der alten Industriestadt für den Erhalt der hunderten Arbeitsplätze am Standort, doch er ist vergeblich. Im Jahr 2004 verlässt der letzte Güterwaggon das alte Eisenbahnwerk und beendet damit eine Ära, hunderte Arbeiter verlieren ihre Existenzgrundlage. Fortan wird einzig ein kleiner Teil des Werkes als Instandhaltungswerk weiter betrieben.

Doch mit dem Beschluss der Bundesländer Sachsen und Thüringen, trotz enormer bürgerlicher Gegenwehr, an dieser Stelle eine neue Justizvollzugsanstalt zu bauen, ist das endgültige Ende für das Areal besiegelt. Ende 2015 schließt die Deutsche Bahn die letzte Werkstatt am Standort und die letzten 50 Mitarbeiter sind die Letzten von einst mehreren Tausend im alten RAW. Mit dem Frühling 2016 beginnt der Abriss des 30 Fußballfelder großen Areals, nach und nach wird eine Halle, ein Stück Industriegeschichte nach dem anderem eingeebnet. Die Industriekultur verschwindet. Im Sommer 2017 ist von den riesigen Hallen fast nichts mehr vorhanden. Der denkmalgeschützte Wasserturm wird abgebaut und eingelagert, Wiederaufbau nicht garantiert. Das Reichsbahnausbesserungswerk Zwickau ist endgültig Geschichte.



Wir zeigen euch wohl die letzten Bilder aus diesem einzigartigen Ort der ostdeutschen Eisenbahngeschichte. Viele Jahre, nachdem hier die letzten Arbeiter an den Maschinen standen, geben diese gigantischen Hallen immer noch ein magisches Gefühl auf den Betrachter ab. Es riecht nach alten Öl und innerlich hört man noch das Zischen der einrollenden Lokomotiven und Waggons. Doch es ist still geworden in den alten Hallen der Arbeit. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, bevor sich die Armee aus Baggern durch die  alten Hallen hindurchfrisst und Industriearchitektur zur einer Wüste aus Schutt verwandelt.


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